Aufrüsten für Abschreckung und Krieg: Erst Schulden, dann höhere Steuern
Die aktuellen Aufrüstungspläne der NATO könnten dauerhaft höhere Steuern in den Mitgliedsländern nach sich ziehen, zeigt eine Analyse des Kiel Instituts auf Basis eines einzigartigen Datensatzes. Dieser umfasst die Finanzierung von Aufrüstung und Kriegen der vergangenen 150 Jahre in 20 Ländern. Er zeigt: Zunächst erfolgt die Finanzierung von Militärausgaben über deutlich höhere Staatsschulden, aber mittel- und langfristig steigt vor allem die Steuerlast.
Laut Studie bleiben Steuersätze, die in Aufrüstungsphasen angehoben oder neu eingeführt wurden, in der Regel auch nach deren Ende zumindest teilweise bestehen. Dass Staaten die neu eingeführten Steuern wieder vollständig rückgängig machen, ist die Ausnahme.
So lagen die durchschnittlichen Steuereinnahmen mehr als ein Jahrzehnt nach Beginn einer Aufrüstungsphase noch immer um 20 bis 30 Prozent und die Spitzensteuersätze um etwa 15 Prozentpunkte über dem ursprünglichen Niveau.
„Die aktuelle Aufrüstung in den NATO-Staaten ist eine der größten in westlichen Industriestaaten in den letzten 150 Jahren, vergleichbar mit den Aufrüstungsphasen vor den Weltkriegen oder nach dem Koreakrieg. Ein Blick in die Vergangenheit liefert Anhaltspunkte dafür, dass auf die Steuerzahler dadurch auch langfristig finanzielle Belastungen zukommen“, sagt Christoph Trebesch, Direktor des Forschungszentrums Internationale Finanzmärkte am Kiel Institut und Mitautor der Studie „Guns and Butter: The Fiscal Consequences of Rearmament and War“.
In Kriegszeiten deckten Staaten stark steigende Militärausgaben überwiegend über höhere Staatsverschuldung. Ergänzend werden neue Steuern eingeführt oder bestehende erhöht, etwa zur Finanzierung wachsender Zinslasten.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Aufrüstungsphasen in Friedenszeiten, etwa bei geopolitischer Bedrohung ohne direkte Kriegshandlungen im eigenen Land, wie sie derzeit viele NATO-Staaten erleben. Zwar fallen die Schuldenaufnahme und Steuererhöhungen in solchen Bedrohungslagen geringer aus als in Kriegen, dennoch kam es häufig zu spürbaren Veränderungen im Steuersystem, etwa durch höhere Einkommen- oder Konsumsteuersätze.
Auch politisch neutrale Staaten sahen sich zur Abschreckung immer wieder gezwungen aufzurüsten und dadurch die eigenen Steuerzahler zu belasten, etwa die Schweiz und Schweden während der Weltkriege.
Ob für unmittelbare Kriegshandlungen oder zur Abschreckung in Friedenszeiten: Laut Datensatz lagen Einkommens- und Konsumentensteuern 15 Jahre nach einer Aufrüstungsphase auf einem signifikant höheren Niveau, obwohl die Schuldenlast kontinuierlich sinkt.
„Insgesamt zeigen 150 Jahre Finanzgeschichte, dass große geopolitische Umwälzungen sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten zu einem langfristigen Aufwuchs des Fiskalstaates führen“, so Trebeschs Fazit.