Kontrolle über Seltenen Erden wird zum Herzstück chinesischer Industriepolitik
Die Kontrolle über die globale Produktion, Handel und Technologiewissen von Seltenen Erden (SE) wird zum Herzstück chinesischer Industriepolitik mit Potenzial für einen globalen Handelskonflikt, kommentiert Rolf Langhammer, Handelsexperte am Kiel Institut.

„Die SE-Exportrestriktionen vom 9. Oktober 2025 gehen weit über eine kontrollierte Sperrung des Zugangs zu SE (und Seltenerdmagneten) aus China hinaus. China verlangt zudem, dass in Zukunft die Verwendung seiner SE in globalen Lieferketten seiner vorherigen Genehmigung unterliegt. Ähnliche Genehmigungen bzw. Verbote gelten für die Nutzung von chinesischem technologischen Wissen über die Gewinnung von SE in Lieferstätten außerhalb Chinas.
Noch ist nichts umgesetzt, auch nicht die Vergeltungsdrohungen der USA mit 100-Prozent-Zöllen. Es wird fast zeitgleich von beiden Seiten gedroht wie geschmeichelt. Aber Chinas Signal ist aus zwei Gründen eindeutig. Erstens will es Einfluss auf die weltweiten Transformationsprozesse in der Industrie ausüben und damit den USA Paroli bieten, die mit der Exportkontrolle von Hochleistungschips und der Sicherheitskontrolle von amerikanischen Direktinvestitionen im Ausland ähnliche Einflussreichweiten anstreben. Zweitens will es als Noch-quasi-Monopolist die Entscheidungshoheit über die globale Produktion und Verbreitung des Rohstoffs SE verteidigen und damit seine Ressourcenrenten sichern. Als Rohstoffproduzent an der Quelle kann China die Fertigwarenproduzenten am Ende der Quelle (beispielsweise die USA) dominieren. Exportrestriktionen schlagen Importzölle.
Zu den Fertigwarenproduzenten gehört auch Deutschland, dessen E-Autoproduktion, die Produktion von Maschinen und Anlagen sowie dessen Energie- und Rüstungstechnologie vor allem den sicheren Zugang zu SE benötigt. Es ist eine unternehmerische Entscheidung der deutschen Unternehmen, Reserven anzulegen, Käuferallianzen zu bilden, alternative Anbieter zu finden und den Preissignalen zu folgen, die den Ersatz von SE im Produktionsprozess nahelegen. Den Ruf nach produktspezifischen Subventionen sollte die Politik ablehnen. Die Zahlen zum Fehlschlag dieser Art der Industriepolitik sind Legion.
Sollten die Ankündigungen Chinas in Maßnahmen umgesetzt werden, werden die Anreize für Gegenreaktionen und das Menetekel für einen globalen Handelskonflikt größer. Abgesehen von Vergeltungs- und Gegenvergeltungszöllen, die den Handel verteuern oder sogar lahmlegen, stehen die Zeichen auf Importsubstitution durch eigene auch von China technologisch unabhängige neue Lieferquellen. Zudem wird der SE-sparende technologische Fortschritt stimuliert, d.h. der Ersatz von SE im Produktionsprozess. Beides ist volkswirtschaftlich teuer und zeitintensiv und gibt China Gelegenheit, seine Kontrollinstrumente stets so geschickt und flexibel auszutarieren, dass die Kosten für das Land überschaubar und die Anreize zur Importsubstitution und Ressourceneinsparung diffus bleiben. Der Einsatz von Unsicherheit als Waffe bleibt aber keineswegs kostenlos, auch nicht für China.
Hier kommt eine strategische Handelspolitik der EU ins Spiel. Sie kann die Kosten für China mit beeinflussen. Das Land hat mit seiner Wirtschaftspolitik der exzessiven Subventionierung der Industrieproduktion den Absatz seines Güterangebots mehr als früher in der Hand ausländischer Nachfrager gelegt, vor allem auf dem EU-Markt als noch relativ offener und absorptionsfähiger Markt. Alternative Märkte wie ASEAN sind für ein anspruchsvolles Güterangebot dafür kein Ersatz. Den offenen Zugang zum EU-Markt für chinesische Güter und Kapital kann die EU daran knüpfen, dass China seine SE-Technologie über verbindliche Joint Ventures mit EU-Unternehmen weitergibt und sich auch an der Erschließung alternativer Produktionsstätten beteiligt. SE-Industriepolitik mit globaler Reichweite ist kein Feld für eine isolierte deutsche Politik. Hier bedarf es des Einsatzes des europäischen Binnenmarkts und der europäischen Handelspolitik. “