Warum Schiefergas im Boden bleiben sollte
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Fracking ist derzeit ein Reizwort – das Thema wird in Deutschland kontrovers diskutiert. In der Technologie, bei der Schiefergas durch unter hohem Druck eingebrachte chemische Flüssigkeiten aus Reservoirgesteinen gewonnen wird, sehen Befürworter die Chance sinkender Energiepreise und hoffen auf einen Gas-Boom wie in den USA. Kritiker fürchten vor allem Risiken wie Grundwasserverschmutzung und Erdbeben und wollen Fracking verbieten oder zumindest weitgehend beschränken. Ein Aspekt wird jedoch in dieser Debatte vernachlässigt: Der Klimaschutz. Dabei ist der Klimaschutz das entscheidende Argument gegen Fracking.
Kiel Institut Expertinnen und Experten
Fracking ist derzeit ein Reizwort – das Thema wird in Deutschland kontrovers diskutiert. In der Technologie, bei der Schiefergas durch unter hohem Druck eingebrachte chemische Flüssigkeiten aus Reservoirgesteinen gewonnen wird, sehen Befürworter die Chance sinkender Energiepreise und hoffen auf einen Gas-Boom wie in den USA. Kritiker fürchten vor allem Risiken wie Grundwasserverschmutzung und Erdbeben und wollen Fracking verbieten oder zumindest weitgehend beschränken. Ein Aspekt wird jedoch in dieser Debatte vernachlässigt: Der Klimaschutz. Dabei ist der Klimaschutz das entscheidende Argument gegen Fracking.
Mit Fracking wird nämlich eine weitere fossile Energiequelle erschlossen. Die Eindämmung des Klimawandels verlangt jedoch, dass die Weltgemeinschaft darauf verzichtet, alle noch vorhandenen fossilen Energiereserven zu fördern und zu nutzen. Stattdessen sollte die benötigte Energie primär aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Allein die Tatsache, dass fossile Energie zu derzeitigen Preisen auch durch Fracking profitabel gefördert werden kann, ist noch kein Argument dafür, dies tatsächlich auch zu tun. Zumal die Kosten des Klimawandels – die externen Kosten der fossilen Energieträger – in solchen Berechnungen nicht berücksichtigt werden. So mag die Förderung von fossilen Energieträgern zwar für Unternehmen profitabel sein – gesamtwirtschaftlich ist sie es dadurch jedoch längst noch nicht. Das gilt besonders für Kohle, die die höchsten Kohlendioxid-Emissionen zu verzeichnen hat, genau wie für die Förderung von Öl aus Teersanden und Ölschiefern. Und es gilt wohl auch für die Schiefergasförderung durch Fracking.
Fracking-Befürworter argumentieren zwar häufig, dass Gas nur gut halb so viel Kohlendioxid bei der Verbrennung freisetzt wie Kohle – und deshalb gerade in der Phase der Transformation des Energiesystems eine größere Rolle spielen sollte. Doch bei Schiefergas sind die direkt freigesetzten Emissionen nur eine Seite der Medaille: Durch Fracking wird Methan freigesetzt – und das ist etwa 20 Mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid. So erreicht Schiefergas ähnliche, allenfalls leicht bessere Emissionswerte wie Kohle. Das Potenzial, als Brückentechnologie zur Energieerzeugung ohne Kohlendioxid-Ausstoß zu fungieren, wird dadurch erheblich getrübt.
Hinzu kommt ein sehr hoher Wasser- und Raumverbrauch durch das Fracking: Zwischen 12 000 und 20 000 Kubikmeter Wasser sind für jede Bohrung erforderlich, ein Clusterbohrplatz mit bis zu 20 Bohrungen und Nebenanlagen benötigt bis zu 12 000 Quadratmeter Fläche. Für Explorationsbohrungen werden immer noch 3 000 bis 6 000 Quadratmeter veranschlagt. Während Wasser in Deutschland kein knappes Gut ist, ist der Landverbrauch in einem dicht besiedelten Land mit abnehmenden Naturflächen dabei durchaus ernst zu nehmen.
Auch in Sachen Wirtschaftlichkeit ist es mit Fracking nicht so weit her wie ursprünglich einmal gedacht. Selbst in den USA, wo mittlerweile mehr als ein Drittel des geförderten Gases aus Fracking stammen, hat die Euphoriewelle einen deutlichen Dämpfer bekommen. Das liegt einerseits daran, dass aufgrund des Mehrangebots an Gas die Gaspreise massiv gesunken sind – um 60 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005, als der Gaspreis seinen historischen Höhepunkt erreichte. Der hohe Gaspreis hatte die verhältnismäßig aufwändige Technik erst profitabel gemacht, der Preisverfall bewirkt nun das Gegenteil. Hinzu kommen wachsende Zweifel, ob Schiefergas wirklich so einfach und kostengünstig wie bisher angenommen gewonnen werden kann und ob die Verfügbarkeit nicht geringer ist als ursprünglich einmal gedacht. So zeigt beispielsweise eine in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichte Studie, dass die Förderleistung einer Bohrung im ersten Jahr um 60 bis 90 Prozent zurückgeht und immer neue Bohrungen erforderlich sind, um die Gas-Vorkommen tatsächlich ausbeuten zu können.
Die deutschen Schiefergas-Vorkommen sind selbst nach bisherigem Stand ohnehin vergleichsweise gering. Laut aktuellen Schätzungen können hierzulande vor allem im Norddeutschen Becken und im Oberrheingraben theoretisch zwischen 0,7 und 2,3 Billionen Kubikmeter Schiefergas durch Fracking gewonnen werden. Das würde die deutsche Gasnachfrage bestenfalls für rund 13 Jahre decken. Angesichts der neuesten Erfahrungen in den USA wird die nutzbare Menge vermutlich noch deutlich geringer ausfallen.
Geringer als dargestellt dürften allerdings auch die von vielen Kritikern ins Feld geführten Umweltrisiken des Fracking sein: Genannt werden hier vor allem verschmutztes Grundwasser, Umweltschäden durch toxische Chemikalien oder gar das Hervorrufen von Erdbeben, außerdem die Gefahr von Rückflüssen von nicht ausreichend aufbereitetem Wasser in die Umwelt sowie die Unfallgefahr bei Transport-, Umfüll-, Reinigungs- und Lagervorgängen. Solche Vorfälle sind in den USA zwar aufgetreten – allerdings muss man berücksichtigen, dass das Schiefergas dort in einem Umfeld fast ohne jede Regulierung und vor allem ohne Umweltauflagen gefördert wurde. Die USA haben aus den Fehlern der Pionierjahre gelernt und mittlerweile mehrere Gesetze verschärft. Deutschland hat jedoch längst viel restriktivere Vorschriften. Dadurch dürften die meisten der Risiken von vornherein deutlich reduziert sein. Zudem wird Fracking hierzulande in anderem Zusammenhang bereits seit 1961 angewendet – ohne, dass es dabei zu nennenswerten Problemen gekommen wäre.
Doch warum sollte es sinnvoll sein, mit hohem Aufwand, unklarer Wirtschaftlichkeit und nicht ganz frei von Umweltrisiken ausgerechnet den fossilen Brennstoff zu gewinnen, der am schwierigsten zu fördern ist? Warum sollte man einen fossilen Brennstoff fördern, der mit höheren Emissionen verbunden ist als die konventionellen Vorkommen? Angesichts der Tatsache, dass die Nachfrage nach fossiler Energie derzeit nur langsam wächst und mancherorts sogar rückläufig ist, sollte Deutschland besser auf die Gewinnung von Schiefergas durch Fracking verzichten. Dem Klima zuliebe.