Die Fed in der Sackgasse
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USA
Seit mittlerweile mehr als vier Jahren verfolgt die US-Notenbank Fed eine extrem expansiv ausgerichtete Geldpolitik: Der Leitzins liegt nahe bei null, und zusätzlich kauft die Fed US-Staatsanleihen und hypothekenbesicherte Wertpapiere in Milliardenhöhe auf. Neu ist zudem eine sehr klare Festlegung, dass die expansive Geldpolitik auch in der Zukunft fortgesetzt wird.
Kiel Institut Expertinnen und Experten
Seit mittlerweile mehr als vier Jahren verfolgt die US-Notenbank Fed eine extrem expansiv ausgerichtete Geldpolitik: Der Leitzins liegt nahe bei null, und zusätzlich kauft die Fed US-Staatsanleihen und hypothekenbesicherte Wertpapiere in Milliardenhöhe auf. Neu ist zudem eine sehr klare Festlegung, dass die expansive Geldpolitik auch in der Zukunft fortgesetzt wird. Zuletzt hat die Fed angekündigt, ihren Leitzins mindestens so lange nahe bei null zu belassen, wie die Arbeitslosenquote mehr als 6,5 Prozent beträgt und sich keine Inflationsgefahren abzeichnen. Mit dieser neuen Kommunikationsstrategie sollen die Erwartungen der Marktteilnehmer dahingehend beeinflusst werden, dass die Zinsen am langen Ende weiter sinken, in der Hoffnung, dass sich die US-Wirtschaft endlich stärker belebt. Doch gerade diese Festlegung könnte bald zum Problem werden. Sie erschwert den Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik und das just zu einer Zeit, in der sich Zweifel innerhalb des Offenmarktausschusses der Fed mehren, ob die Ausrichtung der Geldpolitik noch angemessen ist.
Maßgeblich für die Bewertung der Geldpolitik in den USA ist die Einschätzung, ob die mäßige wirtschaftliche Entwicklung und die hohe Arbeitslosenquote konjunkturell bedingt oder auf strukturelle Probleme zurückzuführen sind. Denn nur bei einer konjunkturellen Schwäche kann die Geldpolitik überhaupt zur Lösung des Problems beitragen. In der Tat gehen offizielle Schätzungen, wie die vom Congressional Budget Office, von einer starken Unterauslastung der Produktionskapazitäten in den USA aus. Es mehren sich jedoch die Hinweise, dass die US-Wirtschaft vor allem unter strukturellen Problemen leidet. So zeigt eine Vielzahl von Studien, dass Finanz- und Immobilienkrisen langfristig das Produktionspotenzial mindern und somit nicht mit einer raschen Erholung gerechnet werden kann. Demzufolge dürfte auch die Unterauslastung deutlich geringer sein als offizielle Schätzungen von Regierungsseite suggerieren. Das Congressional Budget Office hat seine Potenzialschätzungen in den vergangenen zwei Jahren bereits spürbar nach unten revidieren müssen – Tendenz weiter fallend. Für eine nur geringe Unterauslastung spricht auch, dass sich die Inflationsrate seit geraumer Zeit etwa auf dem Zielwert der Fed befindet und sich keinerlei Deflationstendenzen abzeichnen. Zudem hat die Fed die realwirtschaftliche Wirkung ihrer expansiven Geldpolitik wohl erheblich überschätzt: Ihre Konjunkturprognosen für die vergangenen beiden Jahre waren jeweils deutlich zu optimistisch.
Vieles spricht somit dafür, dass die Geldpolitik kaum noch etwas zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme in den USA beitragen kann und bereits seit einiger Zeit deutlich zu expansiv ausgerichtet ist. Dies ist mit enormen Risiken für die US-Wirtschaft verbunden: Es haben sich nicht nur die Gefahren für die Preisstabilität in der mittleren Frist merklich erhöht, auch kann eine zu expansive Geldpolitik zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. So werden massive Fehlanreize für Investitionsentscheidungen gesetzt, während nötige Anpassungsprozesse verzögert oder gar behindert werden. Zudem werden Anleger geradezu dazu gedrängt, höhere Risiken einzugehen, wodurch sich auch die Risiken für die Finanzmarktstabilität insgesamt erhöhen. Mittlerweile wird das Verhältnis der immensen potenziellen Kosten zu dem begrenzten Nutzen der extrem expansiv ausgerichteten Geldpolitik auch innerhalb des Offenmarktausschusses verstärkt diskutiert.
Umso schwerer wiegt es deshalb, dass die Fed nicht nur ihren extrem expansiven geldpolitischen Kurs weiter fortgeführt hat, sondern sie sich mit ihrer neuen Kommunikationsstrategie auch der Flexibilität beraubt hat, ihre Geldpolitik in nächster Zeit nennenswert zu straffen. Bedenklich stimmt in diesem Zusammenhang auch, dass sie ihre Null-Zinspolitik auf die Arbeitslosenquote und die Preisstabilität konditioniert hat; zwei Größen die möglicherweise nur verzögert reagieren, selbst wenn die Nebenwirkungen der extrem expansiv ausgerichteten Geldpolitik mehr und mehr zum Tragen sollten. So können sich Fehlinvestitionen, Übertreibungen bei Vermögenspreisen und Risiken für die Finanzmarktstabilität lange Zeit auftürmen, ohne dass es zu einem deutlichen Anstieg der Inflationsrate kommt; dies hat nicht zuletzt die jüngste Finanzkrise gezeigt hat. Hinzu kommt, dass die Arbeitslosenquote zuletzt auch von Faktoren (wie z.B. der demographischen Entwicklung) getrieben wurde, die außerhalb des Einflusses der Fed liegen.
Sollten sich innerhalb der Fed die Bedenken bezüglich der Risiken der ultraexpansiven Geldpolitik mehren, droht ihr nun ein Glaubwürdigkeitsproblem. Denn es wäre kaum vermittelbar, wenn die Fed ihre Geldpolitik spürbar straffen würde, noch bevor die selbst auferlegten Bedingungen für eine Zinsanhebung erfüllt sind. Dabei ist zu bedenken, dass eine Straffung über den Abbau der quantitativen Maßnahmen, beispielsweise durch einen massiven Verkauf von Vermögenstiteln, wohl mit erheblichen Problemen verbunden wäre. So könnte eine solche Politik zu erheblichen Turbulenzen an den Finanzmärkten führen. Auch müsste die Fed wohl schmerzhafte Verluste realisieren.
Alles in allem hat die Fed durch ihre neue Kommunikationsstrategie einen beträchtlichen Teil ihrer Flexibilität eingebüßt. Ihr Vorgehen ist ein gefährliches Spiel, nicht zuletzt weil vieles dafür spricht, dass eine zu expansive Geldpolitik zu den Fehlentwicklungen beigetragen hat, die letztlich zu der jüngsten Finanzkrise geführt haben. Es besteht die Gefahr, dass sich die neue Politik der Fed schon bald als Problem erweisen wird.
(Leicht überarbeitete Version eines Gastbeitrags auf Zeit-Online vom 30. April 2013 unter dem Titel „Die Fed steckt in der Sackgasse“.)