Skip to main navigation Skip to main content Skip to page footer

13.06.2024

News

Sommerprognose IfW Kiel: Etwas Licht am Ende des Konjunkturtunnels

In Deutschland setzt laut Sommerprognose des IfW Kiel eine moderate Konjunkturerholung ein. Im laufenden Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent zulegen (Frühjahrsprognose: 0,1 Prozent). Getragen wird die Erholung vor allem von den wieder anziehenden Exporten und dem Konsum. Eine hohe konjunkturelle Dynamik zeichnet sich jedoch nicht ab. Für 2025 rechnet das IfW Kiel mit einem Anstieg der Wirtschaftsleistung von 1,1 Prozent (Frühjahrsprognose: 1,2 Prozent). Die Inflationsrate dürfte sich bei etwa 2 Prozent einpendeln, der Arbeitsmarkt zeigt sich weitgehend robust.

00.00

Sie blicken optimistischer auf die deutsche Wirtschaft als noch im vergangenen Winter – aus welchem Grund?

Der wesentliche Grund für die Aufwärtsrevision ist, dass sich die Weltwirtschaft deutlich kräftiger von dem Corona-Schock erholt, als wir das im Winter noch vorausgesehen hatten, und das bedeutet, dass von der Exportwirtschaft kräftige Impulse auf die deutsche Industrie ausgehen. Wir haben dort nahezu einen perfekten V-Verlauf, wenn wir uns die Warenexporte anschauen, wir sind also tief eingebrochen am Beginn der Krise, aber wir kommen sehr zügig jetzt auch aus diesem Tal wieder heraus, und das ist insgesamt der Grund für die Aufwärtskorrektur. Dass wir nicht noch stärker aufwärts revidieren liegt allerdings daran, dass wir in der Binnenkonjunktur eine W-Formation haben, also durch die zweite Welle gab es einen deutlichen Rückschlag, insbesondere beim privaten Konsum, und beides zusammengenommen ergibt dann immer noch eine Aufwärtsrevision, aber die Binnenwirtschaft hinkt deutlich hinterher.

01.15

Welche Risiken bestehen für den konjunkturellen Ausblick?

Ganz klar ist der Pandemieverlauf weiterhin die größte Unbekannte, wenn es dort zu weiteren Verzögerungen im Pandemieverlauf kommt, das ist aber nicht der einzige Faktor. Was wir schlecht abschätzen können ist, wie viele Unternehmen jetzt aufgrund der Krise so in Bedrängnis geraten, dass sie den nächsten Aufschwung gar nicht mehr erleben und diesen dann auch nicht tragen können. Wenn wir es dort mit einer größeren Insolvenzwelle zu tun haben sollten, dann würde von dieser Seite der Aufschwung behindert. Es gibt aber auch die Chance, dass sich die Konjunktur im laufenden Jahr noch lebhafter entwickelt, als wir das derzeit vorhersehen, während der Pandemie konnten die Haushalte viele Konsumaktivitäten nicht entfalten, deshalb ist viel Einkommen liegen geblieben, wir rechnen mit 230 Milliarden Euro, die die privaten Haushalte jetzt zusätzlich auf der hohen Kante haben, und je mehr sie davon mobilisieren, für nachholende Käufe, desto kräftiger und desto schneller kann die Binnenkonjunktur zurückkommen, das ist dann aber auch mit zusätzlichen Inflationsrisiken verbunden.

02.33

Deutschlands Schulden sind durch die Corona-Krise stark gestiegen, was bedeutet das für die nächste Bundesregierung?

Mit der kräftigen Erholung in diesem Jahr entfällt dann aber für das kommende Jahr zugleich jede Grundlage für Staatsaugaben auf Pump im großen Stil. Ein abermaliges Aussetzen der Schuldenbremse ist daher ökonomisch nicht zu begründen. Das strukturelle Defizit des Staates fällt im kommenden Jahr um 40 Milliarden Euro zu hoch aus. Die nächste Bundesregierung steht damit von Beginn an unter Konsolidierungsdruck, zumal wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass jetzt ja von Jahr zu Jahr steigende Belastungen durch die demografische Alterung hinzukommen. Hierauf ist das Deutschland unzureichend vorbereitet, die Verteilungskonflikte dürften sich daher in der nächsten Legislaturperiode erheblich verschärfen.

„Es gibt Licht am Ende des Konjunkturtunnels. Die Zeichen mehren sich, dass sich die deutsche Wirtschaft aus der Rezession befreien kann. Eine wichtige Weichenstellung ist dabei die von der Europäischen Zentralbank (EZB) eingeläutete Zinswende“, sagt Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel.

Im Juni hatte die EZB die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte reduziert – zu erwarten sind im Jahresverlauf zwei weitere Zinssenkungen um jeweils weitere 0,25 Prozentpunkte. Die Leitzinssenkungen verbessern die Finanzierungsbedingungen sowohl für Unternehmen als auch für private Konsumenten, so dass die restriktive Wirkung der Geldpolitik nachlässt.

„Das Konjunkturbild einer mühsamen Erholung gewinnt an Konturen. Nach dem Auslandsgeschäft dürfte im weiteren Jahresverlauf auch der heimische Konsum anspringen. Unternehmensinvestitionen und Wohnbau bleiben aber vorerst schwach. Der jetzt einsetzende Aufschwung kommt insgesamt mit wenig Dynamik in Gang, ähnlich wie ein Fußballteam, das sich nach einer langen Abwehrschlacht mühsam nach vorne kämpft“, sagt Stefan Kooths, Konjunkturchef des IfW Kiel.

Die jahresdurchschnittlichen Veränderungsraten des Bruttoinlandsproduktes täuschen über die unterjährige Expansionsdynamik hinweg, die in den Verlaufsraten von 1 Prozent (2024) und 1,2 Prozent (2025) klarer zum Ausdruck kommt. Diese liegen oberhalb des Potenzialwachstums, das im Prognosezeitraum auf jährlich knapp 0,5 Prozent veranschlagt wird. Demnach nimmt die gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung zu, womit die Rezession überwunden wird und eine moderate Erholung einsetzt.

Moderate weltwirtschaftliche Expansion

Das Exportgeschäft wird angesichts der moderat expandierenden Wirtschaftsleistung in den Abnehmerländern und dem wieder anziehenden Welthandel voraussichtlich aufwärtsgerichtet bleiben. Alles in allem werden die Exporte im laufenden Jahr um 0,6 Prozent und im Jahr 2025 um 2,6 Prozent steigen, nachdem sie im Jahr 2023 noch gesunken waren.

Insgesamt verringern sich die konjunkturellen Unterschiede in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften: Während in den USA die konjunkturelle Dynamik etwas nachlässt, belebt sich die Wirtschaft in Europa spürbar, und auch China verzeichnete Produktionszuwächse. Die moderate weltwirtschaftliche Expansion dürfte sich fortsetzen, die Weltproduktion dürfte in diesem und im kommenden Jahr um 3,2 Prozent steigen. Dabei kurbeln steigende Reallöhne in Europa den privaten Konsum an. Im nächsten Jahr wird die gelockerte Geldpolitik spürbar. Geopolitische Risiken, insbesondere im Zusammenhang mit den US-Präsidentschaftswahlen, könnten die weltwirtschaftliche Aktivität beeinträchtigen. Eine Zuspitzung von Handelskonflikten würde die weltwirtschaftliche Aktivität belasten.

Hohe Lohnzuwächse und robuster Arbeitsmarkt schieben privaten Konsum an

Nach dem kräftigen Einbruch der Reallöhne im Jahr 2022 und nur geringen Zuwächsen im vergangenen Jahr, ziehen sie im laufenden Jahr mit 3,4 Prozent so kräftig an wie seit über 30 Jahren nicht mehr und liegen nunmehr leicht über dem Niveau des Jahres 2019. Für das kommende Jahr zeichnet sich für die Erwerbstätigkeit eine Seitwärtsbewegung ab, wobei der demografisch bedingten Angebotsverknappung noch konjunkturelle Auftriebskräfte entgegenwirken. Im Zuge der Erholung sinkt die Arbeitslosigkeit von 5,9 Prozent (2024) auf 5,8 Prozent (2025), nach 5,7 Prozent im vergangenen Jahr. Insgesamt stützt die Entwicklung am Arbeitsmarkt die Masseneinkommen und in der Folge auch den privaten Konsum, für den nach dem Rückgang um 0,7 Prozent im Vorjahr wieder deutliche Zuwächse um 0,6 Prozent (2024) und 1,2 Prozent (2025) erwartet werden.

Investitionen bleiben vorerst gedämpft

Die Bauaktivität ist weiterhin schwach. Der Anstieg im ersten Quartal war vor allem der Witterung geschuldet. Auf den Unternehmensinvestitionen lastet weiterhin eine erhöhte Politikunsicherheit. Von den Investitionen dürften erst im kommenden Jahr expansive Impulse ausgehen, wenn sich das Geschäftsklima der Unternehmen bessert und die Bauinvestitionen angesichts der wieder etwas günstigeren Finanzierungsbedingungen etwas beleben.

Einnahmeseitige Konsolidierung der Staatsfinanzen

Die Ausgaben der Gebietskörperschaften werden im Prognosezeitraum spürbar langsamer zulegen als zuletzt, jedoch wird dies durch die Mehrausgaben der Sozialversicherungen über-kompensiert. Daher nimmt die gesamtstaatliche Ausgabenquote trotz erster Einsparansätze weiter zu und erreicht im Jahr 2025 einen Wert von 49,5 Prozent. Die Konsolidierung erfolgt in der Summe über die Einnahmeseite, für die sich Zuwächse von 5,3 Prozent (2024) und 4,7 Prozent (2025) abzeichnen. In Relation zur Wirtschaftsleistung sinkt das staatliche Finanzierungsdefizit von 2,4 Prozent im Vorjahr auf 1,7 Prozent und 1,2 Prozent in den beiden Prognosejahren


Jetzt Berichte lesen:

Fachlicher Kontakt

  • Prof. Dr. Stefan Kooths
    Forschungsdirektor

Medienkontakt

  • Elisabeth Radke
    Head of Outreach

Experten

  • Prof. Dr. Stefan Kooths
    Forschungsdirektor

Medienkontakte

  • Mathias Rauck
    Leiter Kommunikation