Frühjahrsprognose IfW Kiel: Erholung verzögert sich
Deutschlands Weg aus dem Konjunkturtief verlängert sich laut jüngster Prognose des IfW Kiel, erst nach dem Frühjahr zeichnet sich eine moderate Erholung ab. Im Winterhalbjahr dürfte die Wirtschaftsleistung noch schrumpfen und im Gesamtjahr 2024 mit einem Plus von 0,1 Prozent kaum mehr als stagnieren. Damit revidiert das IfW Kiel seine Erwartungen aus der Winterprognose deutlich um 0,8 Prozentpunkte nach unten. Gründe: Privater Konsum und Exporte erholen sich später bzw. weniger dynamisch, zudem zeigen sich die Investitionen äußerst schwach. Für 2025 belässt das IfW Kiel seine Prognose unverändert und sieht den Zuwachs der Wirtschaftsleistung bei 1,2 Prozent. Die Inflationsrate dürfte auf unter 2 Prozent, das Finanzierungsdefizit des Staates auf unter 0,8 Prozent zurückgehen
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Sie blicken optimistischer auf die deutsche Wirtschaft als noch im vergangenen Winter – aus welchem Grund?
Der wesentliche Grund für die Aufwärtsrevision ist, dass sich die Weltwirtschaft deutlich kräftiger von dem Corona-Schock erholt, als wir das im Winter noch vorausgesehen hatten, und das bedeutet, dass von der Exportwirtschaft kräftige Impulse auf die deutsche Industrie ausgehen. Wir haben dort nahezu einen perfekten V-Verlauf, wenn wir uns die Warenexporte anschauen, wir sind also tief eingebrochen am Beginn der Krise, aber wir kommen sehr zügig jetzt auch aus diesem Tal wieder heraus, und das ist insgesamt der Grund für die Aufwärtskorrektur. Dass wir nicht noch stärker aufwärts revidieren liegt allerdings daran, dass wir in der Binnenkonjunktur eine W-Formation haben, also durch die zweite Welle gab es einen deutlichen Rückschlag, insbesondere beim privaten Konsum, und beides zusammengenommen ergibt dann immer noch eine Aufwärtsrevision, aber die Binnenwirtschaft hinkt deutlich hinterher.
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Welche Risiken bestehen für den konjunkturellen Ausblick?
Ganz klar ist der Pandemieverlauf weiterhin die größte Unbekannte, wenn es dort zu weiteren Verzögerungen im Pandemieverlauf kommt, das ist aber nicht der einzige Faktor. Was wir schlecht abschätzen können ist, wie viele Unternehmen jetzt aufgrund der Krise so in Bedrängnis geraten, dass sie den nächsten Aufschwung gar nicht mehr erleben und diesen dann auch nicht tragen können. Wenn wir es dort mit einer größeren Insolvenzwelle zu tun haben sollten, dann würde von dieser Seite der Aufschwung behindert. Es gibt aber auch die Chance, dass sich die Konjunktur im laufenden Jahr noch lebhafter entwickelt, als wir das derzeit vorhersehen, während der Pandemie konnten die Haushalte viele Konsumaktivitäten nicht entfalten, deshalb ist viel Einkommen liegen geblieben, wir rechnen mit 230 Milliarden Euro, die die privaten Haushalte jetzt zusätzlich auf der hohen Kante haben, und je mehr sie davon mobilisieren, für nachholende Käufe, desto kräftiger und desto schneller kann die Binnenkonjunktur zurückkommen, das ist dann aber auch mit zusätzlichen Inflationsrisiken verbunden.
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Deutschlands Schulden sind durch die Corona-Krise stark gestiegen, was bedeutet das für die nächste Bundesregierung?
Mit der kräftigen Erholung in diesem Jahr entfällt dann aber für das kommende Jahr zugleich jede Grundlage für Staatsaugaben auf Pump im großen Stil. Ein abermaliges Aussetzen der Schuldenbremse ist daher ökonomisch nicht zu begründen. Das strukturelle Defizit des Staates fällt im kommenden Jahr um 40 Milliarden Euro zu hoch aus. Die nächste Bundesregierung steht damit von Beginn an unter Konsolidierungsdruck, zumal wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass jetzt ja von Jahr zu Jahr steigende Belastungen durch die demografische Alterung hinzukommen. Hierauf ist das Deutschland unzureichend vorbereitet, die Verteilungskonflikte dürften sich daher in der nächsten Legislaturperiode erheblich verschärfen.

„In der deutschen Konjunktur drücken zurzeit eine ganze Reihe von Faktoren auf Stimmung und Wirtschaftsdaten. Die Exportwirtschaft leidet unter einer schwächelnden Weltkonjunktur, die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank wirkt restriktiv und dürfte das auch noch bis ins kommende Jahr hinein tun, und die Sparanstrengungen der Bundesregierung kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt und versprühen zusätzlichen Pessimismus“, sagte Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel, anlässlich der heute erschienenen Konjunkturprognosen ("Deutsche Wirtschaft im Frühjahr 2024: Erholung mit Hindernissen", "Weltwirtschaft im Frühjahr 2024: Dynamik bleibt verhalten").
Nach einem deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung im Schlussquartal 2023 geht es der Prognose des IfW Kiel zufolge auch im 1. Quartal nochmal minimal abwärts. Erst ab dem Frühjahr dürfte eine moderate Erholung einsetzen. Die Wirtschaftsleistung liegt 2025 aber nur 2 Prozent über dem Niveau, das vor Ausbruch der Corona-Pandemie vor sechs Jahren erreicht wurde.
„Die deutsche Konjunktur fasst zwar im Laufe des Jahres wieder Tritt, große Sprünge sind aber nicht in Sicht. Es mehren sich die Anzeichen, dass vor allem strukturelle Probleme auf der Wirtschaft lasten. Schwachpunkt bleiben die privaten Investitionen, auch weil die Wirtschaftspolitik viel Unsicherheit schürt“, so Stefan Kooths, Konjunkturchef am IfW Kiel.
Zudem schätzt das IfW Kiel die unternehmerische Investitionstätigkeit nunmehr deutlich schwächer ein. Ausrüstungsinvestitionen dürften im laufenden Jahr um 1,3 Prozent zurückgehen. Die Bauinvestitionen stehen weiter unter Druck, der Wohnungsbau schrumpft mit 4 Prozent sogar noch stärker als in den beiden Jahren zuvor. Ab dem nächsten Jahr sind aber wieder kleine Steigerungsraten von rund 1 Prozent in den genannten Bereichen möglich.
Positive Signale: Rückläufige Inflationsrate, robuster Arbeitsmarkt
Der Aufschwung wird maßgeblich getragen durch eine allmählich einsetzende Belebung des privaten Konsums und ein nach und nach anziehendes Auslandsgeschäft. Die jeweiligen Auftriebskräfte – steigende Massenkaufkraft im Inland dank hoher Lohnabschlüsse bei rückläufiger Inflationsrate sowie eine anziehende Auslandsnachfrage – fallen jedoch schwächer aus bzw. setzen später ein als bislang erwartet.
Die Inflationsrate ist rückläufig: Nach 8,2 Prozent im ersten Quartal des Jahres 2023 ist sie im Januar und Februar bereits auf 2,9 bzw. 2,5 Prozent abgesunken. Für das laufende Jahr rechnet das IfW Kiel mit einer Inflationsrate von 2,3 Prozent, für 2025 wird ein weiterer Rückgang auf dann 1,7 Prozent erwartet.
Die real verfügbaren Einkommen legen nach drei rückläufigen Jahren in Folge 2024 und 2025 wieder um rund 1 Prozent zu.
Der Arbeitsmarkt zeigt sich in Anbetracht der schwachen wirtschaftlichen Dynamik robust, die Arbeitslosenquote dürfte bei 5,8 Prozent (2024) und 5,6 Prozent (2025) liegen. Die Zahl der Erwerbstätigen erreicht im laufenden Jahr die Rekordmarke von 46,1 Millionen, bevor sie im Zuge des demografischen Wandels auf einen Abwärtstrend einschwenkt.
Das Finanzierungsdefizit des Staates ist vor allem aufgrund der Konsolidierungsmaßnahmen rückläufig und dürfte von 2,1 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2023 auf 0,8 Prozent im Jahr 2025 zurückgehen.
Nach fünf Quartalen im Rückwärtsgang geht es mit den Exporten ab dem Frühjahr allmählich wieder aufwärts. Aufgrund des schwachen Winterhalbjahrs sinken die Exporte im Durchschnitt des laufenden Jahres aber wohl nochmal deutlich um 1,7 Prozent, für 2025 ist dann ein Zuwachs von 2,8 Prozent zu erwarten.
Die wenig dynamische, aber insgesamt stabile Weltkonjunktur wird wieder etwas stärker von der Industrieproduktion getragen. Damit überwindet der Welthandel seine Schwächephase und stützt über mehr Aufträge die deutsche Industrie.
Der gestörte Schiffsverkehr im Roten Meer dürfte den deutschen Außenhandel hingegen nur kurz beeinträchtigt haben (mehr lesen: Frachtmenge im Roten Meer geht weiter zurück, weniger Schiffe in Hamburg).
Risiko US-Präsidentschaftswahl
Die Weltproduktion steigt laut Prognose nur moderat um 2,8 Prozent (2024) und 3,1 Prozent (2025). Nicht zuletzt Chinas strukturelle Probleme verhindern eine stärkere Entwicklung. Die Wirtschaft dort dürfte im laufenden und kommenden Jahr mit Raten von nur unter 5 Prozent zulegen. Zugpferd ist Indien mit Raten von knapp 7 Prozent.
In den entwickelten Volkswirtschaften läuft die US-Konjunktur am stärksten. 2024 dürfte die Wirtschaftsleistung kräftig um über 2 Prozent steigen, 2025 lässt mit den fiskalischen Impulsen aus dem Wahljahr dann auch die Dynamik etwas nach.
„Die Präsidentschaftswahlen in den USA lasten als gewichtiger Unsicherheitsfaktor auf der Weltkonjunktur und den Aussichten für die deutsche Wirtschaft. Sollte Donald Trump das Rennen machen, drohen neue Handelskonflikte infolge protektionistischer Vorstöße, die Erholung des Welthandels zu beeinträchtigen. Diesen Risiken stehen nur sehr geringe Chancen auf Handelserleichterungen – etwa durch neue Freihandelsabkommen – gegenüber“, so Kooths.
Audio
Fragen und Antworten von Stefan Kooths
- Wir wird sich die deutsche Konjunktur 2024 entwickeln?
- Das IfW Kiel revidiert seine Prognose deutlich um 0,8 Prozentpunkte nach unten. Warum?
- Sie rechnen damit, dass die Menschen künftig wieder mehr Geld ausgeben. Warum?